Stein Nr. 0019

Die Geschichte zum Stein erzählt der Enkel des Gründers der Drogerie, Werner Engelmann:

In der Brandiser Hauptstr. / Ecke Gartengasse befindet sich ein Ladengeschäft. Zur Zeit werden dort Textilwaren angeboten.

Alteingesessene Brandiser können sich daran erinnern, dass sich hier eine Drogerie befand. Ins Auge stach der Schriftzug über der Schaufensterfront „Fotobedarf Glückauf  Drogerie Seiffert“.

Die Drogerie war zunächst ein reines Lebensmittel- und Kolonialwarengeschäft, welches von Frau Jentsch geführt wurde. Wilhelm Seiffert übernahm dieses von Frau Jentsch, die sich nach der Abgabe ihres Geschäftes schräg gegenüber mit einem kleinen Süßwarenladen niederließ.

Wilhelm Seiffert kaufte im Sommer 1919 das Haus mit Grundstück, in dem sich das Geschäft befand, von Herrn Haupt, der im Nachbarhaus in der Hauptstraße wohnte. Am 1.10.1919 eröffneten Hedwig und Wilhelm Seiffert die Firma Glückauf-Drogerie Brandis, Gartengasse 1.

Friedrich Wilhelm Seiffert wurde am 4.9.1886 in Brandis als Sohn  der Eheleute Friedrich Gustav Seiffert und Marie Emilie, geb. Schurath, geboren.

Er besuchte die Bürgerschule Brandis. Danach erlernte er den Beruf des Drogisten und besuchte die Kaufmännische Handelsschule in Wurzen. Nach seiner Ausbildung vertiefte er sein Wissen als Angestellter in verschiedenen Drogerien, unter anderem auch in Berlin beim Hoflieferanten Schwarzlose in der Friedrichstraße. Am 13.9.1912 heiratete Wilhelm Seiffert in Albrechtshain Else Hedwig Schladitz, eine Wirtschaftsgehilfin aus Rückmarsdorf (heute ein Stadtteil im Westen Leipzigs).

Sie hatten zwei Kinder, Witlof, geb. am 15.2.1913 und Johanna, geb.  am 17.3.1919.

Hedwig und Wilhelm Seiffert haben ihren Laden im Laufe der Jahre vergrößert und hart darin gearbeitet, um das Grundstück eines Tages schuldenfrei zu haben; sie machten es zu einem ansehnlichen Geschäft, wie es jeder Brandiser kennt – eine Drogerie mit Farben, Ölen und Lacken, Waren des täglichen Bedarfs, fotografischen Arbeiten im eigenen Fotolabor, Futtermitteln für Kleintiere und vieles mehr.

Wilhelm Seifferts Sohn Witlof besuchte die Drogistenfachschule, die Dekorations- und Photoschule. Diese Ausbildung sowie die praktische Lehre ermöglichten ihm, das Geschäft später einmal führen zu können und weiter vorwärts zu bringen.

Seine Tochter Johanna ging nach dem Abschluss der Grundschule Brandis 1933 ein Jahr lang auf die kaufmännische Berufsschule in Leipzig und erlernte in den anschließenden zwei Jahren den Beruf einer Verkäuferin in der elterlichen Drogerie, in der sie bis zum Jahre 1946 angestellt war. 

Im Jahre 1945, nach dem Ende des 2. Weltkrieges, erfolgten im Osten Deutschlands gravierende wirtschaftliche Veränderungen. Viele Firmen wurden in  Volkseigentum überführt und deren Besitzer enteignet. Im Handel gab es als einzige Möglichkeit, die Geschäfte auf Kommissionsbasis weiter zu betreiben. Auch die Glückauf-Drogerie Brandis sollte nach 1945 enteignet werden, was aber nicht gelang. Jedoch war in der Folgezeit eine Umstellung des Geschäfts auf Kommissionshandel (Händler auf fremde Rechnung; in diesem Falle Zwischenhändler für die Volkseigene Handelsorganisation) unumgänglich. Im Mai 1958 konnte sein Sohn, Witlof Seiffert, das Geschäft als Kommissionshändler weiterführen. Er durfte den Vater darin als Hilfskraft einstellen und weiterbeschäftigen. Damit war zunächst die Existenz des Geschäftes und die der Familie Seiffert gerettet. Bis zu seinem 85. Lebensjahr marschierte Wilhelm Seiffert noch täglich in seine Drogerie und half tüchtig mit.

Es machte ihm große Freude, wenn er den Brandisern Ratschläge aus seinem reichen Erfahrungsschatz geben konnte. Am 12.1.1964 starb seine Frau Hedwig. Wilhelm Seiffert ist am 12.8.1982 in Brandis verstorben.

Bis zum 70. Lebensjahr arbeitete sein Sohn, Witlof Seiffert, mit seiner Frau Walli in der Glückauf-Drogerie und mußte das Geschäft aus gesundheitlichen sowie Altersgründen aufgeben und auflösen. Die Abgabe der Drogerie an einen Nachfolger oder an die Stadt Brandis war leider nicht möglich, weil die Volkseigene Handelsorganisation (HO) nicht willig war, die Drogerie zu übernehmen. Die Meinung der Stadt und der HO war: „Wir brauchen keine zwei Drogerien in Brandis“ (außer Seifferts Drogerie existierte in Brandis die „Drogerie am Markt“, heute Schlecker).

Die Kinder Witlof Seifferts hatten unter den damals vorherrschenden Bedingungen keine Möglichkeit, das Geschäft auf privater Basis weiterzuführen. Das Grundstück wäre nur zu erhalten und zu entlasten gewesen, wenn das Ladengeschäft in freier Wirtschaft hätte geführt werden können.