Stein Nr. 0003
Die Geschichte zum Stein erzählen seine Eltern Werner und Gisela Fichtner:
Wolfram Fichtner wurde am 28. Oktober 1964 in der DDR geboren. Als Handwerker-sohn und durch sein jugendliches Engagement in der christlichen Opposition „Schwerter zu Pflugscharen“ waren ihm spürbar Bildungswege versperrt und er konnte sich zu DDR Zeiten seinen Berufswunsch zum Innenarchitekten nicht erfüllen. Nach dem Abitur erlernte er in einer Leipziger PGH die drei zu DDR spezialisierten Berufe – Polsterer, Dekorateur, Fußbodenleger. Alle mit eigener Ausbildungszeit. Während im Herbst 1989 in Leipzig abends die Montagsdemos stattfanden, absolvierte er am Tage die handwerkliche Meisterabschlussprüfungen mit dem besten Abschluss aller.
Zum 1.7.1990 stieg Wolfram Fichtner bei dem von seinem Vater geführten Handwerksbetrieb in Brandis ein, obwohl es keine Aufträge gab. Mit der Währungsunion hatten die Menschen die DM in der Hand und es musste folglich ein Umdenken von dem zur DDR Zeit gewohnten Beschaffungsmarketing von Material zum Kundenmarketing erfolgen. Eine unsichere Zeit, aber auch mit neuen Chancen.
Wolfram Fichtner nutzte die Zeit, um über viele Reisen, Wanderschaften und Besuche zu begreifen, wie Marktwirtschaft in Westdeutschland funktioniert. Dort wurde der erlernte Beruf bereits 1962 in den Namen Raumausstatter umbenannt. Handwerklich gab es zwar in Westdeutschland viele Defizite, aber es gehörte mehr dazu, um einen Betrieb zu führen. Die Produktschwemme – für DDR Verhältnisse unvorstellbar – führte zur Trennung zwischen Massenware – von den Großmärkten angeboten – und aktuelle Designerware, die auf die Persönlichkeit eines einzelnen Kunden handwerksorientiert verarbeitet wird.
Und er erkannte, dass der Wettbewerb zwei unterschiedliche Interessengruppen for-miert hat. Die Innung innerhalb einer Branche im Wettbewerb zu anderen Branchen und die regionalen Gewerbevereine im Wettbewerb zu anderen Regionen.
Wolfram Fichtner war motiviert und sah den Aufbruch als eine Chance. Mit einer familiären Entscheidung übernahm er zum 1.1.992 den Handwerksbetrieb eigenständig. Noch vor der Eröffnung der grundlegenden Neuinvestition in das Geschäftshaus in Brandis mit angeschlossenen Werkstätten stand der Mietvertrag für ein Geschäft in der Leipziger Mädlerpassage mit Dr. Jürgen Schneider als Vermieter – damals als einziger Ostdeutscher.
Er baute die Firma schrittweise mit verschiedenen Tätigkeitsfeldern auf, dem Privatkundengeschäft, dem Objektgeschäft und im Denkmalsbereich – letzteres bun-desweit. Über einen langen Zeitraum waren 100 Mitarbeiter beschäftigt.
In einer eigenen Lehrwerkstatt wurden in den vergangenen Jahren über 80 junge Menschen ausgebildet.
Neben der Mitarbeit in der Innung war es 1993 seinem eigenen Engagement zu verdanken, dass sich der Brandiser Wirtschaftsförderverein gründete, dem er bis 1997 vorstand und hier viel für den Zusammenhalt der Gewerbetreibenden durch Informationsveranstaltungen und Aktivitäten getan wurde.
Wolfram Fichtner ist eine unternehmerisch kreative Person, der einen unbefriedigten Istzustand nie einfach hinnimmt sondern immer nach neuen Konzepten sucht und sie umsetzt. Zu neuen Konzepten gehört das Gewinnen wie auch Verlieren. Dafür wurde er vom Bundespräsidenten als eines der 50 innovativsten Unternehmen unter dem Motto „Mutige Unternehmer braucht das Land“ ausgezeichnet. Für den Lehrlingsaustausch mit einem Partner im französischen Lyon erhielt er vom Bundesbildungsminister den deutschen Ausbildungsoscar und vom Ministerpräsidenten Biedenkopf wurde zum „Goldenen Sachsen“ geehrt. Brancheninterne Auszeichnungen würde die Liste endlos fortsetzen. In der deutschen Denkmalspflege ist der Name FICHTNER längst ein Begriff geworden und das Unternehmen ist von Nord – bis Süddeutschland und gelegentlich im Ausland überall tätig.
Die schwache Kaufkraftnachfrage im Privatkundengeschäft wurde jedoch auch am Standort Brandis zu Beginn des 21. Jahrhunderts spürbar. Mit seiner Kreativität und einem erneuten Engagement startete er das Projekt „Initiative Brandis“ und gewann dazu ebenso engagierte Mitstreiter – vor allem Neubrandiser. Da es nie ein Stadtent-wicklungskonzept für Brandis gab, wurde in dieser Gruppe unter seiner Führung ein erstes umfangreiches Konzept, was von der Innenstadt ausgehen sollte, als Grundlage entwickelt. Dazu gehörte auch die „Brandiser Meile“ als Ausgangsprojekt. So ist es Wolfram Fichtner als ursprünglichen Ideengeber zu verdanken, dass es die Brandiser Meile gibt, die in der Ideenphase von seinem Mitarbeiter Gerd Fiedler öffentlich vorgestellt wurde.
Brandiser Verwaltungsdenken, persönliche Befindlichkeiten und die Nein – Sager – Praxis ohne Alternativen führten in einer sich entwickelten Neidgesellschaft zu mehreren persönlichen wie auch familiären Brandiser Angriffen, die in einer Anzeige den Höhepunkt fanden.
So war 2005 eine harte Lebenserfahrung für Wolfgang Fichtner und ist in der Firmengeschichte gleichzusetzen mit den Ereignissen in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Ein umgesetzter Konsolidierungsprozess der Firma, ein mehr denn je verinnerlichter Spruch der Dakota Indianer „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab“ haben ihn dazu veranlasst, sich aus gesellschaftlichen wie auch Brandiser Engagement zurückzuziehen. So steht er seit dieser Zeit nur noch für Familie und Firma und gelegentlich für humanitäre rotarische Projekte ein, deren Dankbarkeit gewährleistet ist.
Die Alternativlosigkeit der Brandiser Entscheidungsträger hinterlässt in der Innenstadt bereits Spuren und toppt die Kritikkampagne seines Vaters 1989.
Aus dieser Erkenntnis heraus wurde das Unternehmen 2007 mit seinem Sitz nach Leipzig verlegt, von wo es vor allem im Privatkundengeschäft mit weiteren in Bearbeitung befindlichen Konzepten sich weiter entwickelt.
Mit dem 1997 eingetragenen Markennamen FICHTNER RAUMWELTEN wird das handwerklich geprägte Unternehmen in seiner Tradition seit 1835 fortgeführt. In Anbetracht der jetzigen und vorläufig letzten Meilensteinverlegung zu dieser FICHTNER Reihe wird zu Wolfram Fichtner aus der Firmenchronik, die einst der Brandiser Alvin Thiele schrieb: „Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, der froh von ihren Taten, Ihrer Größe den Hörer unterhält und still sich freuend an’s Ende dieser schönen Reihe sich geschlossen sieht.“